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In Zusammenarbeit mit dem Migrations-Zentrum Oikia und der Fundación Resilis habe ich im katalanischen Girona ein mehrteiliges Fotoprojekt initiieren können, das sich mit dem Thema Immigration auseinandersetzt. Eine erste Ausstellung begann im März 2018 in Girona, Spanien. Eine weitere folgte im Mai 2019 in der Provinz Burgos.

Die Auseinandersetzung mit Menschen, die aus der „Fremde“ zu uns nach Europa, nach Deutschland oder in diesem Fall nach Spanien kommen, ist für viele Menschen nicht einfach. Für die Menschen, die in unseren Breitengraden leben, bedeuten Immigranten nicht selten eine Bedrohung. Mag es am Islam liegen oder an der anderen Hautfarbe, die der Immigrant mitbringt, am Anfang ist jedweder Kontakt schwer, eine dauerhafte Integration erscheint noch viel schwerer. 

Ausstellung meiner Arbeit im „Labyrinth“ in der Aldea, Onya, Provinz Burgos

Für den Menschen, der aus einem anderen Kontinent nach Europa gekommen ist, bedeutet das Erreichen eines bestimmten Ziels dort das vorläufige Ende einer sehr langen Reise unter oft unmenschlichen Bedingungen.

Das Arbeiten hingegen in einer Sammelunterkunft für Kinder und Jugendliche, wie ich es in Girona unter der Leitung von Oikia/Resilis erleben durfte, bedeutet den dort angestellten Erziehern, Pädagogen und Ärzten eine ganze Menge. So schwierig sich das Zusammenleben und die tägliche Auseinandersetzung um die Probleme eines jeden einzelnen auch gestalten mag, so groß ist doch die Verbundenheit und gegenseitige Wertschätzung zwischen vielen, die dort sind. 

Ausstellung meiner Arbeit im „Labyrinth“ in der Aldea, Onya, Provinz Burgos

Besonders zu spüren ist das an den Momenten, wo jemand diesen Ort der Ruhe wieder verlässt, sei es ein Pädagoge, weil er eine andere Arbeit gefunden hat oder ein Jugendlicher, weil er zurück in sein Heimatland geht oder in der Hoffnung auf ein besseres Leben weiterzieht nach Norden.

 

Spanien ist nicht das Ziel der meisten Immigranten, die ich in Girona kennenlernte. Einige träumen von Deutschland, andere sind enttäuscht und wollen wieder zurück in ihre Heimat, sie hatten es sich hier anders vorgestellt. Nicht alle, die ich treffe, sind in der Lage, sich in einer europäischen Sprache gut auszudrücken, nicht alle zeichnen sich aus durch edlen Charakter, aber ich sehe Glanz in Augen so manch eines Jugendlichen, erspüre Ängste und Sehnsüchte.

Wie die Erzieher bestätigen, haben viele Jugendliche ein großes Potential; sie haben Schreckliches durchgemacht und nun das Glück, in diesem Zentrum auf einem Hügel unweit der kleinen Stadt Girona ein wenig durchzuatmen. Hier gibt es für sie zu Essen, warme Kleidung und eine schulische Ausbildung. Alles wichtige Grundvoraussetzungen für ihren weiteren (Lebens-)Weg, auch wenn das nicht jeder so sieht.

So durfte ich in Zusammenarbeit mit den Erziehern ein Konzept erarbeiten, das mir als Fotograf und Künstler einen neuen Weg für ein interessantes Projekt wies. Ich fotografierte die Jugendlichen im ersten Teil dieser Arbeit im Zentrum und auf öffentlichen Plätzen der Stadt Girona, wo sie mittlerweile zum Stadtbild gehören. Aus rechtlichen Gründen darf ich die Gesichter nicht zeigen, was für mich zur Folge hat, dass ich in der Ausstellung ohne die ausdrucksstarken und oft ernsten Blicke der Jungen arbeiten muss. Das empfand ich anfangs als sehr schade, begann dann aber damit, diesen Nachteil als einen Teil der Ausstellung zu inszenieren.

 

In Dipl. Des. Björn Göttlicher paart sich die Gelassenheit des Spaniers mit der Zuverlässigkeit des Deutschen und der Trinkfestigkeit des Finnen. Als cooler Papa und passionierter Mützenträger ist der Autor zahlreicher Bücher im Umgang mit seinen Makeln genauso humorvoll wie beim Vermitteln von fotografischem Wissen. Er beschäftigt sich als Autor viel mit den ästhetischen und philosophischen Fragen des Mediums Fotografie und erkundet die filmischen Ausdrucksmöglichkeiten in seinen Kurzfilmen. Darüber hinaus war er Bildredakteur des Satiremagazins „Der Laufbursche“ und seit 2018 Gründer des Photochimp Clubs.

Unter dem Nutzernamen meinekleinefarm finden sich die kuriosen Bilder der Monster-Attacke © Göttlicher/Laufbursche [M]

Unter diesem Nutzernamen findet sich die kuriose Dokumentation der Monster-Attacke im Netz © Göttlicher/Laufbursche [M]

Spanien, Korrespondent

Unter der neuen Kategorie „Phänomen Instagram“ präsentiert der Laufbursche von nun an regelmäßig Kuriositäten aus der Welt des Internets. Das soziale Bilder-Netzwerk Instagram dient uns hierbei als schier unerschöpfliche Fundgrube. Wenn uns eine Geschichte gefällt, scheuen wir weder Kosten noch Aufwand, um für unsere Leser der Geschichte hinter den Bildern auf die Spur zu kommen. Heute eine bizarres Ereignis aus einem Dorf in Spanien.

Wir erreichen den Farmer, der in unserem Artikel namentlich nicht genannt werden möchte, nach langer Recherche am Telefon. Das Telefon habe er meistens abgestellt, sagt er uns, dass wir ihn erreichten sei purer Zufall. Zu viele Menschen wollten etwas von ihm, erklärt er, von der Lokalpresse bis zu Ufo-Gläubigen. „Nachdem wir die Bilder auf Instagram eingestellt hatten, läutete es permanent. Am Ende bin ich schon gar nicht mehr rangegangen.“ Einzig der Umstand, dass wir vom Laufburschen kommen, verhindert, dass er uns den Hörer auf die Gabel knallt. „Das ist ein seriöses Blatt“, fügt der Farmer hinzu, Recht hat er. Wir verabreden uns schließlich bei ihm auf dem Hof, wo wir uns seine Geschichte anhören wollen.

Reste der Monster-Attacke am Tag danach. © Göttlicher/Laufbursche [M]

Reste der Monster-Attacke am Tag danach. © Göttlicher/Laufbursche [M]

Als wir nach langer Fahrt durch die Bergwelt der Pyrenäen in dem kleinen Dorf eintreffen, scheint die Sonne auf sein Grundstück, während es die ganze Fahrt über in Strömen geregnet hat. „Ja, das kommt uns auch seltsam vor. Aber es gibt eben mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als man so glauben mag“, antwortet er. Dann legt er los, ist gar nicht mehr zu halten: „Es fing an vor drei Wochen. Da hörten wir dieses komische Gezirpe zum ersten Mal. Besonders nachts war es gut zu hören und es klang nah.“ Aber der Farmer mit seiner resoluten kleinen Frau ist kein Mensch, der sich schnell einschüchtern lässt. Er hat den Jagdschein, und mit seiner Flinte hat er schon so manches Wildschwein erlegt. „Die Wildschweine sind normalerweise ganz wild auf den Wein, besonders in der Erntezeit. Wir bauen hier nämlich einen vorzüglichen Pyrenäen-Burgunder an, eine von mir eigens gezüchtete Traube besten Weißweins. Deswegen rechnete ich auch mit einer nächtlichen Attacke. Aber was wir dann erlebten, glaubt uns doch keiner !“

 

Kleinere Exemplare der Monster wurden von Wachhund Mariano gleich zu Beginn des Angriffs erlegt. Guter Hund! © Göttlicher/Laufbursche [M]

Kleinere Exemplare der Monster wurden von Wachhund Mariano gleich zu Beginn des Angriffs erlegt. Guter Hund! © Göttlicher/Laufbursche [M]

„Es fing an vor drei Wochen. Da hörten wir dieses komische Gezirpe zum ersten Mal“, äußert sich der Farmer.

Im Morgengrauen des 27.Novembers war es, als der Hund anschlug. Es war gegen 5.00 früh, der Farmer erinnert sich wie heute. „So gebellt hat er noch nie. Ich dachte, eine ganze Wildschwein-Herde fällt über meinen Wein her, aber nein, das war es nicht. Das waren Krabbeltiere. Und sie zirpten.“ Aber sie zirpten nicht freundlich. Es war eher wie ein Knurren, fügt seine Frau Neus hinzu. Und es schien von überall her zu kommen, sogar vom Dach. „Da wurde mir klar, die greifen uns an. Gut, dass wir das Gewehr griffbereit hatten.“ So zögerte er nicht lange und ging nach draussen, um sich der Invasion der Krabbeltiere entgegenzustellen. Und dann sah er sie. Es waren Riesengambas. „Solche essen wir normalerweise an Silvester!“ Sie waren überall und krabbelten herum, als wollten sie Beute machen. Aber Mariano, der Wachhund, ist ein Pyrenäen-Mastin, furchtlos und kampferprobt. Gemeinsam mit der Flinte seines Herren beendeten sie das glibberige Leben vieler Gambas, die anderen zogen sich zurück. „Seitdem hört man auch das Zirpen nicht mehr. Oder nur ganz selten“, fügt der Farmer hinzu. „Die Nachbarn sind alarmiert. Einige sind schon zur Jagd auf die Gambas aufgebrochen. Aber nur die, die meine Bilder gesehen haben, die anderen haben uns die Geschichte nicht geglaubt“, beendet er seinen Bericht und lädt uns zu einem deftigen Riesen-Gamba-Eintopf ein. „Jetzt wird gegessen. Das Zeug muss weg, das wird sonst schlecht“, fügt seine Frau hinzu und entkorkt eine vorzügliche Flasche Pyrenäen-Burgunder.

 

 

 

Eine Riesen-Gambe (also der Kopf) hängt noch an der Aussenmauer. © Göttlicher/Laufbursche [M]

Eine Riesen-Gambe (also der Kopf) hängt noch an der Aussenmauer. © Göttlicher/Laufbursche [M]

 

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Mädchen beim Selfie. ©Göttlicher

 

Als Fotograf und aufmerksamer Beobachter mache ich mir meine Gedanken zur Geschichte der Fotografie und dem Moment, in dem wir uns befinden. Hier an dieser Stelle soll es um die Bilderflut gehen und um die Möglichkeiten, die Fotokünstlern gegeben sind, sich damit auseinanderzusetzen.

Als ausgebildete Fotografen (ich spreche für mich und andere) sehen wir uns selbst nicht gerne als Teil der Bilder produzierenden Masse, obwohl wir uns sehr wohl bewusst sind, dass die Qualität, auf die wir so viel Wert legen, zunehmend von weniger Menschen wahrgenommen und wertgeschätzt wird. An ihre Stelle tritt die visuelle Flut, die Überflutung in allen Bereichen des Lebens, die uns sogar bis nach Hause verfolgt. Die Bilder haben sich längst gegen uns gewandt und das ist ein Konflikt, so unaussprechlich und schwierig er auch sein mag. Früher ging man zu Fotografen, um sich fotografieren zu lassen, heute hat man die Kamera immer dabei und unsere Bilder kommen zu uns. Es ist an der Zeit, sich Gedanken zu machen über Strategien der Resistenz, will man die Kamera nicht bewusst beiseite legen.

Fotografin am Meer. ©Göttlicher

Früher war es die geistige Elite der Priester, die die Bilder herstellte. Dann kamen die Künstler, die es in deren Auftrag taten. Zu Beginn der Fotografie war die Handhabung der Technik sehr kompliziert und Spezialisten überlassen. Im Jahre 1889 entwickelte George Eastman den viel zitierten Spruch „you press the button, we do the rest“, womit der Demokratisierung der Fotografie Tür und Tor geöffnet wurde. Als erstes fotografierten die Menschen im privaten Bereich, bei Festen oder Hochzeiten und machten sich extra dafür schick. Heute sind wir alle Fotografen, Bild-Produzenten und Konsumenten. Nie war es leichter, Fotograf zu sein, nie war weniger schulische Ausbildung dafür vonnöten. Das Ergebnis ist, dass von mehr als 7 Milliarden Menschen mehr als 2 Milliarden ein Smartphone besitzen und viele damit auch eine Kamera.

Auf Facebook werden jede Sekunde circa 3000 Fotos hochgeladen. Das entspricht 350 Millionen Fotos täglich. Insgesamt wurden bislang mehr als 250 Milliarden Fotos auf Facebook hochgeladen.

Instagram hat weltweit 400 Millionen User, 9 Millionen davon sind Deutsche. Diese User bislang etwa 40 Milliarden Fotos hochgeladen, das bedeutet etwa pro Tag 80 Millionen (eine andere Quelle spricht von 20 Mio). Wie viele Fotos täglich auf Flickr hochgeladen werden scheint da irrelevant, auch weil dieser Service demnächst kostenpflichtig wird, und sich da die User abwenden könnten, denn nur was umsonst ist, ist auch gut. So sieht es ja die Mehrheit der Fotografen, obgleich sie diese visuelle Freiheit des Hochladens von Food-Porn oder Strand-Füßen mit dem Verlust der Freiheit im Netz erkauft hat. So oder so kommt es zur Bild-Verschmutzung, zur visuellen Verstopfung.

Fotograf im Stadion ©Göttlicher

Ein Künstler hat einmal ausgerechnet, dass bei der Menge an Bildern, die pro Tag hochgeladen werden, ein Mensch 49 Jahre brauchen würde, um sie sich anzusehen. Absurd, denn natürlich sind diese Bilder ja nicht an nur einen Menschen gerichtet. Dennoch, wir haben heute alle mehr Bilder gesehen als unsere Vorfahren in ihrem ganzen Leben. Macht es da wirklich Sinn, weiterhin Bilder zu machen ? Ist es nicht die Abstinenz, die jetzt wichtig ist ? In einem Moment sensibler Reflexion würde doch jeder von uns zu der Erkenntnis gelangen, dass es viel wertvoller ist, einen Sonnenuntergang am Strand bewusst zu geniessen, als ihn wie alle anderen auch mit dem Smartphone einzufangen und sogleich hochzuladen, nur um ihn der schon existierenden Masse an Sonnenuntergängen hinzuzufügen, oder etwa nicht ?

Betrachtet man aufmerksam die Handlungen der Menschen, so fällt einem auf, dass sich das Handlungs-Schema von Zuschauern völlig gewandelt hat. Während noch vor 10 Jahren Zuschauer einfach Zuschauer waren, so sind sie heute allesamt Teilnehmer und fotografieren mit dem Smartphone über den Köpfen der anderen hinweg. Die digitalen Bildschirme haben die Menschen verwandelt, sie werden zu Spiegeln ihrer Existenz. Das Fotografieren einer Situation ist wie das „Nicht-an-ihr-Teilnehmen“ geworden, da sich die fotografierende Masse zunehmend passiver verhält. Hier ergeben sich künstlerisch-paradoxe Szenen für aufmerksame Beobachter. Es kommt zu Fotos von Menschen, die sich beim Fotografieren fotografieren. Es kommt zu ungewohnten Gruppenportraits von fotografierenden Fotografen, die alle auf ein Motiv starren. Dieses kann vielleicht ein Modell sein, ein Promi oder ein Rockstar, seine Bedeutung ist aber herabgesetzt. Es geht nicht mehr um das Motiv, es geht um die Teilnahme, um das Dabeisein und es Dokumentieren im Sinne des Narzis, wobei das Motiv nurmehr der Grund dafür ist, der Anlass.

Meine Serie „Amadeus Garden“

Man sollte mal zählen, wieviele Menschen auf Gruppenaufnahmen fotografieren. Da kommt der Archivar ins Spiel, der Künstler, der dem Ganzen eine neue Ordnung verleihen will. Der Künstler, der sich dann die Mühe macht, die fotografierenden Menschen zu zählen oder zu klassifizieren oder zu verfolgen, da sie sich für ihn zum Motiv entwickeln. Arme Welt ! Aber vielleicht ist genau das eine neue Tendenz in der Fotokunst, das Massifizieren, das Sammeln, das Archivieren. Genau wie in den 90ern das Vergrößern die Mode war. Alles wurde in der Fotokunst riesengroß, ich nenne Thomas Ruff mit seinen Portraits als Beispiel. Die Sammlung als eine Art Hyper-Akkumulation. Die Masse als Grund, das sich der Betrachter dafür interessiert. Viele Künstler fotografieren jetzt Objekte in Museen ab, von klein zu groß, von verstaubt zu vergrößert. Eine neue Form, Ordnung in die Welt zu bringen mit Hilfe der Fotografie. Sammlungen von Objekten werden so zu Ready Mades im Sinne Duchamps. Das Kuriositätenkabinett als Archiv, geordnet nach neuen visuellen Kategorien, wie Form, Farbe, Größe.

Sammlungen von Objekten werden so zu Ready Mades im Sinne Duchamps.

Alles Fotografen heute ©Göttlicher

Objekte bekommen so eine neue Bedeutung, wenn sie erst gesammelt werden und dann mit einer Erklärung versehen. Wie die Bilder der Molotov Cocktails von Donald Weber. Einfach vor weißem Grund abfotografiert als Objekte. Bier- und andere Flaschen mit brennbaren Tüchern darin. Verwendet auf dem Maidan bei den Demonstrationen in der Ukraine. So wird die Erinnerung der Objekte zum Ausdruck des Protestes. Andere Beispiele für das neue Arbeiten mit existierendem Bildmaterial ist das Werk von Penelope Umbrico, Sunset, wo die Künstlerin Unmengen an Sonnenuntergängen von Flickr zusammengestellt hat oder Erik Kessels Projekt Black Dog, wo der Künstler in sehr witziger Weise alte Familienbilder darstellt, der er gefunden hat und in denen immer wieder ein schwarzer Hund abgebildet ist, der möglicherweise zur Trennung des Paares beigetragen hat, weswegen seine Bilder schließlich im Müll landeten.

Obgleich man sich mit gesundem Menschenverstand manchmal fragen mag, welcher Sinn darin liegt, 250.000 unzusammenhängende Bilder zu machen (so wie das ein Künstler macht, deren Name mir grade nicht einfällt) oder Sonnenuntergänge zu sammeln, wie Penelope Umbrico. Will die Künstlerin Aufmerksamkeit erregen für die Bilderflut ? Ich denke, sie hatte Spass dabei und will den Menschen nur die Möglichkeit anbieten, für sich selbst zu Hause schöne Selfie-Hintergründe zu basteln, wenn man mal nicht in den Urlaub fahren kann. Denn wer verbietet es einem, ihr Werk nachzubauen, wo sie selbst als Künstlerin ja auch keine Probleme hat mit dem Verwerten von Bildern anderer, die damit aber allesamt einverstanden waren (ohne es zu wissen).

Göttlicher in einer Camara Obscura ©Göttlicher

Werk von Joan Fotcuberta im öffentlichen Raum in Barcelona. Das Bild mit dem Kuss zweier Frauen besteht aus Tausenden Einzelbildern und dient vielen Touristen als Selfie-Hintergrund.

Einen Künstler, der mit Fotografie arbeitet, treibt häufig der Gedanke um, alles sei schon getan. Alles sei schon fotografiert, alles sei schon gesehen, nichts ist wirklich mehr neu oder originell. Gibt es einen Weg aus diesem Dilemma ?

Der Künstler Joan Kenning gibt in seinem Video Vermödalen – The fear that everything has already been done eine Antwort, die vielleicht weiterhilft: Ja und nein. Die Bilder, die von uns Menschen produziert werden, handeln von dem, was wir tun. Sie handeln von unseren Familien, von unseren Festen, von unseren Gesichtern, von unseren Füssen am Strand. Sie handeln vom Blick aus dem Flugzeug, von geliebten Menschen oder von was auch immer. Dabei gilt es festzuhalten, dass die Menschen sich durchaus ähneln in dem, was sie machen, in der Art, wie sie lachen, aus dem Fenster schauen oder ihre Füsse ans Wasser halten.

Das ist einfach so, und die Bilderwelt, in der wir leben, zeigt es uns jeden Tag aufs Neue. Doch dabei sind die Menschen auch genauso individuell, unterschiedlich und verschieden, ebenso wie Schneeflocken, die herabrieseln und bei denen auch keine der anderen gleicht, auch wenn es alles Schneeflocken sind.

Ebenso sind unsere Bilder verschieden, sie gleichen sich zwar von den Motiven her, aber verschieden sind sie doch. Zum Glück für uns sind wir wie die Schneeflocken und der Reichtum der menschlichen Rasse liegt genau darin. Bitte mich jetzt nicht falsch verstehen, ich habe heute Nacht nicht Paulo Coelho gelesen und keiner muss jetzt auf Pilgerfahrt. Das sind vielmehr Gedanken, die Fotokünstlern gekommen sind, die sich viel mit Bildern beschäftigen.

Als die Fotografie im Jahre 1839 erfunden wurde, galt das neue Medium noch als Wahrheit, als eine eins zu eins Übersetzung der Realität, die die Welt repräsentierte.

Bis dato war es die Malerei, die ja für ihren subjektiven Gestus bekannt war. Eine Hand hielt einen Pinsel an eine Stelle auf einer Leinwand und so entstand nach und nach ein Abbild, das mit der Realität oft wenig zu tun hatte, das sahen auch die Zeitgenossen damals so.

Die neu entdeckte Maschine, also die Fotografie, ersetzte die Technik des Malens, das langsam und ungenau war. Was fotografiert wurde, existierte. Was sich vor der Kamera befand, war real. Heute sehen wir die Beziehung der Fotografie zur Realität kritisch. Wir haben erkannt, dass das Medium Fotografie durchaus in der Lage ist, sehr subjektive Standpunkte zu vertreten. Kaum einer wird heute noch behaupten, die Fotografie sei wirklich ein Abbild der Realität, wenn doch, klicken Sie bitte hier!

Die Rolle des Realitätsvermittlers hat heute, z.B. Google übernommen. Somit hat Google von der Fotografie die Aufgabe übernommen, uns die Realität zu zeigen. Was in Google nicht auffindbar ist, lässt uns leicht an dessen Existenz zweifeln. Das sind die metaphysischen Auswirkungen der Zeit, in der wir leben. Die Sensation unserer Existenz hängt ab von Algorithmen.

Gedanken zum Handeln des jungen Fotoreporters.

Der Künstler Joan Fontcuberta hat durch die Reflexion über das Mosaik, das schon bei den Römern Verwendung fand, den Weg zu Google gefunden und zu den Möglichkeiten, die sich durch Google für die Fotografie bieten. Während in der analogen Fotografie das Bild durch Licht auf Papier aufgetragen wurde, ähnelt die digitale Fotografie viel mehr der klassischen Form der Narration, in der viele kleine Teile zu einem großen Ganzen zusammengetragen werden. In der Geschichte der Malerei war das auch schon der Fall, man betrachte nur den Impressionismus oder den Pointillismus.

Joan Fontcuberta „The Con“

Der Entwickler Robert Silver erfand ein Programm zur Kreation des Photomosaics, bei dem er Fragmente des Bildes mit Bildern aus Datenbanken ersetzte und diese nach Analyse von Tonwert und Farbe zu einem neuen Bild zusammensetzte. Fontcuberta schließlich erschuf in seinem Werk etwas Besonderes, indem er bei seinen Kreationen mit dem Paradox der Gegensätzlichkeit arbeitet und seine Motive mit entgegengesetzten Worte und Begriffen auffüllen lässt.

Zum Beispiel das Bild eines Obdachlosen, unterlegt mit Tausenden von Bildern der reichsten Männer der Welt, in dem er beim Auffüllen in den Programm deren Namen als Stichwortsuche eingab. Sehr spannend. Ein bekanntes Bild von Abu Graib, „The Con“, unterlegte er mit den Bildern der Namen von Soldaten, die bei den Misshandlungen dabei waren. Das ist in meinen Augen auch eine Form von künstlerischem Aktivismus.

Hier geht es zu meinem Projekt über die Ethik „Like a Coat of rain“

Aus dem Film „Man with a movie Camera“ von 1929

Einen Künstler, der mit Fotografie arbeitet, treibt der Gedanke um, alles sei schon getan. Alles sei schon fotografiert, alles sei schon gesehen, nichts ist wirklich mehr neu oder originell. Gibt es Wege aus diesem Dilemma? Klar ist, Veränderungen kommen auf uns alle zu, und die Dinosaurier sind ausgestorben.

Eine Technik der Produktion von Gegenwartskunst könnte man als „Der Künstler als Verwalter“ bezeichnen. Dahinter verbirgt sich die Idee, Bilder auszuwählen, und dieses Auswahl-Treffen ist ebenso wichtig wie die Entscheidung in der klassischen Fotografie, wohin man die Kamera richtet, welches Objektiv man verwendet, welche Blende oder Verschlusszeit zum Einsatz kommen soll. All dies sind linear getroffene Entscheidungen, die Einfluss haben auf das Bild-Ergebnis. Beim „Der Künstler als Verwalter“-Konzept allerdings geht es mehr um den Akt des Denkens als um den Akt des Tuns, sprich: Man arbeitet mit existierenden Bildern, anstatt selber zu fotografieren.

Allerdings kommt es dabei durchaus auch zu Konflikten mit dem Thema der Autorenschaft, mit dem Kunstmarkt oder generell mit den Interessen anderer.

Zum besseren Verständnis kann man drei Gruppen von bildnerischen Themen heranziehen:

  • Fotos von Kindern
  • Fotos von Blinden
  • Fotos von Tieren

Werfen wir einen Blick auf diese Gruppen und die dort entstehenden Bilder. Kinder können durchaus Bilder machen, können knipsen und das aufnehmen, was ihnen wichtig erscheint. Es kann ihnen eine Menge Spass bereiten, wenn man ihnen ein Thema vorgibt, aber ein Bewusstsein für die Eigenheiten des fotografischen Prozesses haben sie nicht. Als Beispiel diene hier das Projekt „O mundo marvilhoso do futbol“ von Patricia Cebedo, wo persönliche und subjektive Eindrücke von Kindern in brasilianischen Favelas zusammengetragen wurden, die mit dem Leben von diesen Kindern und dem Fußball zu tun haben. Die Bilder bestechen durch ihre Naivität und ihre, fast möchte ich sagen „bewusste“ Un-Perfektheit im Sinne „normaler“ Fotografie, die sich ja durch das Erreichen der Beherrschung der Technik auszeichnet. Kinder machen einfach Bilder, streben aber kaum nach technischer Perfektion. Die in diesem Projekt zusammengefassten Kinder haben die Bilder dazu beigetragen, die Auswahl der Bilder und die Zusammenstellung für das Buch machte dann die Künstlerin, die den Überblick behielt.

The Cameraman, ein Film von Buster Keaton

Schauen wir uns Bilder von Blinden an. Darunter tut sich z.b. der Slowake Eugene Barka hervor, der mit der Kamera sehr eindringliche, subjektive Bildwerke entstehen lässt, die er, wie er selbst beschreibt, gar nicht sehen kann. Wie kann er dann seine eigenen Bilder auswählen?

Fotos von Tieren. Ein interessantes Thema. Schon 1929 gab es den Film „Man with a movie camera„, in der ein Mann alles filmt, was er sieht. Ähnlich einem Foto-Amateur von heute. Daraus resultierte Buster Keatons Werk „The Cameraman“, in dem ein kleiner Affe filmt und viele Preise gewinnt. Es ist dann Buster Keaton, der sich die Rechte an diesem Material schnappt, wobei sich der Affe anscheinend nicht beschwert. Hier stellt sich erstmals die Frage: Wer macht was und was hat Wert? Der deutsche Foto-Reporter Hilmar Pabel machte für die Berliner Illustrierte Zeitung in der Nachkriegszeit Bilder im Zoo. Dabei kam er auf die originelle Idee, seine Kamera den Schimpansen zu überlassen, dass diese aus ihrem Käfig heraus Bilder auf die Zuschauer schiessen sollten. Dieses Experiment gelang ihm und so präsentierte er die Bilder bei der Zeitung, die die Geschichte schließlich druckte. Das Problem war, die Zeitung wollte für die Bilder nichts bezahlen, denn die Aufnahmen seien ja von den Affen gemacht worden, was Hilmar Pabel ziemlich erboste. Pabel hatte schließlich mit einem Nachdruck Glück, die amerikanische Life bezahlte. Hier merkt man erstmals, wie fragil die Autorenschaft ist und wie schnell diese sich verändern kann.

Macaco-Selfie. Verwenden Sie dieses Bild jetzt, es hat keinen Autor!

Dann ist da noch der Fall des Amerikaners David Slater. Dieser machte in Indoniesen Aufnahmen von Macaco Affen und verfiel auf die Idee, seine Kamera unweit der Tiere auf ein Stativ zu stellen, mal sehen, was diese wohl damit anstellen würden. Ein Affe fotografierte sich selbst, machte quasi das erste Affen-Selfie der Foto-Geschichte. Soweit, so gut. Allerdings verwendete dann Wikipedia das Foto und David Slater verlangte Geld für die Bildrechte. Wikipedia sagte „Nein“ und so ging der Fall vor den Richter in den USA. Dort wurde entschieden, nur Menschen haben ein Recht auf Copyright.

David Slater mit seinem Selfie


Gedanken zum Handeln des jungen Fotoreporters.

Das kann natürlich in jedem Land anders entschieden und ausgelegt werden, aber für David Slater war der Fall ärgerlich. Klar ist, dass der Affe im Moment des Fotografierens einen fotografischen Prozess in Gang gesetzt hat. Klar ist aber auch, dass der Fotograf Slater die Kamera dorthin gestellt hat und nach der Aufnahme die Bilder quasi „in Sicherheit“ gebracht und später verbreitet hat. Dazu gehört ja das Bewusstsein des Autoren. Bis heute kämpft der Fotograf um sein Autoren-Recht und der Prozess ist und bleibt offen.

Schon Dalí sagte einst: „Ein guter Künstler kopiert, ein Genie klaut!“ Das haben wir heute, in der Ära der Post-Fotografie, überwunden. Heute wird adoptiert.

Der Begriff Adoptieren kommt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie “ Triumph der Kultur über die Natur“, was dem Ganzen eine Art ideologischer Rechtfertigung verleiht. Als Beispiel dafür sei das Werk „Le salon de refusée“ von Albert Gusi genannt, wo der Künstler sich bei Wissenschaftlern bediente, die in freier Wildbahn Fotos von Wildschweinen machen wollten, wozu sie Fotofallen errichteten. Leider gingen ihnen dann oft andere Tiere in die Falle, die zwar lustige Bilder ergaben, aber keine, mit denen die Wissenschaftler arbeiten konnten. Der Künstler hingegen ja.

Das Bild des Affen bei Wikipedia

 
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Gemeine Unter-Wasser-Aktion von Bionsky. Der Moment vor der Panik unter den Badegästen © Bionsky / Der Laufbursche

Mallorca, dopd

Der geheimnisvolle Künstler Bionsky hat wieder zugeschlagen. Dieses Mal waren ahnungslose Badegäste an einem Strand unweit von Cala Ratjada auf der Ferieninsel Mallorca sein Ziel. Der Künstler leistete sich eine gemeinen Streich. Am Ende blieben zum Glück alle unverletzt.

„Es war ein höllischer Schreck! Es war wie im Film! Erst hörte ich diese Musik, die mir so bekannt vorkam und plötzlich sah ich beim Schnorcheln den Weißen Hai,“ berichtet Badegast Johannes Geismüller noch ganz außer Atem. Er war in Panik ans Ufer geschwommen und brauchte einige Minuten, um wieder zu Atem zu kommen. Geismüller ist einer von etwa einem Dutzend Badegästen, denen ähnliches widerfahren ist. Sie wurden arglos das Opfer einer Hai-Attacke, allerdings einer künstlerischen. Denn was sie gesehen haben, waren nur Fotos. Urheber dieses Kunst-Projektes ist der weltweit bekannte Street-Art-Künstler Bionsky, dessen wahre Identität im Verborgenen liegt. Noch bekam ihn niemand bei einer seiner Aktionen, von denen sich viele am Rande der Legalität bewegen, zu fassen.

„Was? Das war Bionsky?“ wundert sich auch Strandwächter Jorge


„Was? Das war Bionsky?“ wundert sich auch Strandwächter Jorge, der als erstes am Ort des Geschehens war. „Das war ja eine einmalige Chance, ihn zu fangen und der Gerichtsbarkeit zu überstellen“, fügt er unter dem zustimmenden Nicken der mehr oder weniger gut eingeölten Badegäste hinzu. Aber offensichtlich ist es nicht ganz so einfach. Denn Bionsky bereitet seine Aktionen stets gut vor und plant Fluchtwege ein. „Ich habe gesehen, wie er ins offene Meer geschwommen ist. Seine Hai-Fotos hat er wohl verloren, als wir mit dem Jet Ski hinter ihm her sind.“ Man wartet nun gespannt, an welchem Strand Bionsky als nächstes auftaucht.

Diese Aufnahme von der Kunst-Attacke gelang einem Badegast. Sie zeigt eindeutig den verpixelten Künstler © Badegast / Der Laufbursche

Bionsky ist dem Laufburschen wohl bekannt. Er tritt meistens verpixelt auf, soll über einen Harem verfügen und äußerte sich in der Vergangenheit schon unverlangt zu manchem politischen und religiösen Thema. Sollten Sie also einen verpixelten Mann sehen, der aus dem Wasser kommt, ist allerhöchste Vorsicht geboten. Melden Sie sich dann bitte umgehend bei den Behörden!

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