Im Herzen Luxemburgs, in der Burg des kleinen Ortes Clervaux, befindet sich gegenwärtig eine der wichtigsten Fotoausstellungen der Welt. A Family of Man wurde schon 2003 in die Liste des UNESCO Weltdokumentarerbes aufgenommen. Ich wollte mit meinen eigenen Augen sehen, warum.
Die Anreise nach Clervaux erfolgte mit dem Auto durch das Saarland, und um nach Luxemburg zu gelangen, musste ich ganz schön tief ins Herz dieses kleinen Landes eintauchen, sprich über Landstrassen fahren. Einmal angekommen, kann man gut am Parkplatz vor der Burg halten und es dauert nicht lange, bis man sich in einer Art Weltkriegs-Memorial befindet, denn ein Panzer begrüsst die Besucher am Schloßeingang. Doch so sehr mich die Geschichte der Weltkriege auch interessiert, ich bin gekommen für A Familie of Man und A Family of Man ist Fotogeschichte im reinsten Sinne.
Darüber, dass diese Ausstellung einer der wichtigsten in der Geschichte der Fotografie ist, hatte ich während der Arbeit an meinem Buch gelesen und seit mehr als einem Jahr zieht es mich deswegen nach Clervaux. Die Ausstellung wurde im Jahre 1955 vom Fotografen Edward Steichen für das MOMA, das Museum of Modern Art in New York, kreiert. Dahinter stand die Idee, durch die universelle Sprache der Fotografie das Verständnis der Menschen untereinander zu fördern. Das war damals als Idee genauso neu wie es heute aktuell ist. Insgesamt zu sehen sind 503 Fotografien von 273 Autoren, darunter berühmte Fotografen ebenso wie Foto-Amateure. Steichen hatte sich durch einen Berg von 4 Millionen Einsendungen zu kämpfen, um seine Auswahl zu treffen. Und das hat er sehr gut gemacht.
Edward Steichen war übrigens Luxemburgischer Herkunft. Also wurde seine Ausstellung quasi heimgeholt. Richtig so! Das macht Hoffnung auf Anerkennung in der Heimat. Die bekanntesten Fotografen, deren Werke zu sehen sind, sind Henri Cartier-Bresson, Robert Capa, Dorothea Lange, Robert Doisneau und August Sander. Die Ausstellung wurde ein sensationeller Erfolg und bereiste die Welt in den 50er und 60er Jahren. Zu sehen sind in Clervaux 37 Motiv-Gruppen: die Liebe, der Glaube, die Geburt, die Arbeit, die Familie, Leiden, Krieg und Frieden . Als besonders beeindruckend empfinde ich als Betrachter die Interkulturalität, sowie die Darstellung der Gefühle, die weltumspannend präsentiert wird. Das Leiden als Ergebnis von Unterdrückung und Krieg ist sehr eindrücklich, ebenso wie die Freude, die die Menschen erleben, beim Tanz, beim Feiern oder in der Familie. Die verschiedenen Etappen des Menschseins sind wie ein ruhiger, aber extrem bewegter Fluss dargestellt. Völlig egal, ob die Bilder aus Deutschland stammen, aus England oder aus Asien. Erkennbar ist die Zeit, in der die Dokumente entstanden sind. Es ist die Nachkriegszeit und somit ein bedeutendes Dokument einer Epoche, die uns heute ein wenig fremd erscheinen mag und die wir durch die Bilder nah heran holen.
Poetisch ist die Zusammenstellung der Bilder. Das Schwarzweiss funktioniert, um so viel Farbe und Vielfalt darzustellen, wie ich es bis dato nirgendwo anders gesehen habe. Meine einjährige Tochter erkennt Dinge und Situationen und deutet mit dem Finger darauf. Das macht die Wahl der Bilder menschlicher und nähert sie dem Betrachter an. Der Besucher langweilt sich nicht, im Gegenteil. Ich kann meiner Tochter bestimmte Situationen erklären, das ist ein echtes Familienereignis. Eine Stille herrscht in der Ausstellung, fast wie ein er Kathedrale. Flüstern ist angesagt. Und das ist das Beeindruckendste: Man kann auf der Rückfahrt noch lange über die verschiedenen Eindrucke reden, auch über dieses Yin und Yang, diesen Kontrast, den diese wie ein Organismus lebende Ausstellung bildet gegenüber der anderen, die Objekte und Momente der Krieges und der Vernichtung darstellt.
Sehr empfehlenswert: A Family of Man in Clervaux.
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