Macht Kriegsfotografie heute noch Sinn?

Im Gespräch mit dem Fotografen Matthias Bruggmann

Aus der Reihe „Fotograf mit Zweifeln“

„Ethik und Ästhetik sind Eins.“ Ludwig Wittgenstein

Ich befinde mich in der Schweiz am Genfersee. Im Musée de l’Elysée im schönen Städtchen Lausanne habe ich die Gelegenheit, mich am Rande der Eröffnung der Ausstellung „Un acte d’une violence indicible“ (An Act of Unspeakable Violence) mit dem 1978 in Aix en Provence geborenen Schweizer Kriegsfotografen Matthias Bruggmann über seine Arbeit zu unterhalten.

„Was ist das Thema? Diese Frage bewegt mich heute wirklich.“ Sagt er am Ende unseres Gespräches im Museumsgarten. „Ich bin mir nicht mehr sicher, was die interessanten Themen in der Fotografie sind. In diesem Moment haben wir schon so viele Fragen beantwortet, dass es mir unmöglich scheint, darauf eine Antwort zu geben.“ Diese Äußerung ist bemerkenswert, denn Matthias Bruggmann hat einiges beizutragen zum Thema Fotografie und Konflikt. Er erhielt gerade den mit 80 000 Schweizer Franken dotierten Prix Elysée. Die Ausstellung im gleichnamigen Museum zeigt aus diesem Anlass seine Bilder. Die Frage, was man zeigen darf und was man lieber nicht zeigt, haben in diesem Fall die Kuratoren des Museums beantwortet. In meinem Projekt „Fotograf mit Zweifel“ gibt auf diese Frage der Künstler Joan Fontcuberta eine Antwort.

Ich frage Matthias Bruggmann eingangs, wie sich die Geschichte eines Krieges überhaupt in Bildern erzählen lässt, bei einem Krieg, der so kompliziert ist, wie der in Syrien. Matthias antwortet nüchtern. „Ich glaube nicht, dass das geht“, sagt er und führt die Gedanken aus: “Du hast 23 Millionen Geschichten nur im Fall von Syrien, ohne den Irak oder den Jemen mitzuzählen. Es ist unmöglich, alle Stories zu erzählen, um den Konflikt in seiner Ganzheit zu erfassen. Selbst in Kombination mit Text, denke ich, ist es eine Illusion. Was du machen kannst, sind einzelne Elemente, Stücke darzustellen. Mehr geht nicht.“


 

Auf die Frage, ob Bilder in der Lage sind, eine Veränderung voranzutreiben und die Welt etwas besser zu machen, antwortet er mit Ernüchterung: „Aus historischer Sicht gibt es diese Idee, dass du irgendwohin gehst und ein Bild schießt, das die Welt verändert. Diese Idee ist nicht realistisch, und das gilt schon lange – wahrscheinlich seit dem Ende des Ersten Weltkrieges. Sie ist ein intellektueller Trugschluss. Ähnlich ist es mit den typischen Fragen meiner Generation: ‚Was hättest du getan, wenn du von Auschwitz erfahren hättest‘ zum Beispiel. Solche Fragestellungen sind Mist. Die Politiker wissen Bescheid. Das haben wir am Fall von Ruanda gesehen. Die Leute wussten, was da vorging, aber nichts ist unternommen worden. Genau das Gleiche passiert im Fall von Syrien. Ergeben Bilder da Sinn? Ich weiß es nicht.“